Nachhaltige Förderung von Schülerinnen in MINT-Fächern

Das Projekt Überfliegerin sucht Zuwachs!

Gastartikel von Rut Waldenfels, Physikerin und Gründerin von Überfliegerin

Der Anteil von Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern betrug im Wintersemester 2016/2017 an deutschen Hochschulen immer noch weniger als 30%, in Ausbildungsberufen war das Verhältnis im Juni 2014 mit einem Anteil von 12% noch weniger ausgeglichen.

Warum ist im MINT-Bereich der Anteil von Frauen immer noch so niedrig?

Der Einfluss von geschlechtsspezifischen Rollenbildern auf die Berufs- und Studienwahl spielt hier die Hauptrolle. Im- und explizite Erwartungen an Frauen und ihre Berufswahl, sowie (oft unbewusste) Hindernisse auf Grund ihres Geschlechts sind in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und bestimmen das Interesse von jungen Frauen an MINT-Fächern. [1, 2] Entdecker, Erfinder, Forscher – das Bild, was zu diesen Begriffen allein durch das sprachliche Maskulinum im Kopf entsteht, ist das eines Mannes. Dieses Bild bestätigt sich in zahlreichen (Jugend-)Büchern und Filmen, in denen die großen Abenteurer und genialen Tüftler sehr viel häufiger Männer sind. [3] Auch im realen Leben sind erfolgreiche weibliche Vorbilder in MINT-Berufen wenig sichtbar. Aber Vorbilder, sowohl aus fiktiven Geschichten als auch reale Personen, geben Perspektiven und Identifikationsmöglichkeiten, machen neugierig und engagiert. In der Pubertät wird die Abgrenzung über das Merkmal Geschlecht wichtiger und gelernte Vorurteile verfestigen sich: weniger weiblich wirken, weil man mit guten Noten in Physik leicht zum „Nerd“ abgestempelt wird oder sich von vornherein in einer Gruppe von überwiegend Jungs nicht zugehörig fühlt, kann bewusst oder unbewusst das Interesse entscheidend beeinflussen. Deutlich zeigt sich dies auch daran, dass sich die Leistungen von Schülerinnen in mathematischen Tests signifikant verschlechtern, sobald sie vor Testbeginn ihr Geschlecht angeben müssen. [4]

Nachhaltige Förderung bedeutet die gesellschaftlichen Einflüsse zu adressieren.

Eine nachhaltige Förderung von Nachwuchs-MINTlerinnen, die diese gesellschaftlichen Einflüsse adressiert und soziale Fähigkeiten zum Umgang damit stärkt, ist deshalb unbedingt sinnvoll und notwendig. Mein Projekt, die Gründung des Förderinstituts „Überfliegerin“, soll genau das leisten. Ich selbst bin Physikerin und möchte mit „Überfliegerin“ auch meine persönlichen Erfahrungen, die ich in der Auseinandersetzung mit geschlechterbasierten Vorurteilen bzw. ihren gesellschaftlichen Auswirkungen gesammelt habe, in der Praxis einsetzen und weitergeben. Ich möchte Schülerinnen dazu motivieren, selbstbewusst an MINT-Inhalte heranzugehen, gesellschaftliche Hindernisse zu überwinden und Begeisterung für „typische“ Männerberufe und Fächer zu entwickeln. Im Jahr 2012 war ich Teil des Organisationsteams der deutschen Physikerinnentagung und habe an mehreren Tagungen und Veranstaltungen mit ähnlichem Hintergrund und Coachings im Rahmen von Förderprogrammen von Studentinnen teilgenommen. Die Erfahrungen, die ich dort sammeln konnte, und der Austausch mit anderen Wissenschaftlerinnen haben mich darin bestärkt, dass ein gesellschaftlicher Wandel vor allem durch Förderung von jungen Frauen voran gebracht werden kann. Überfliegerin soll Schülerinnen die notwendigen Mittel an die Hand geben, sich im MINT-Bereich zu Hause zu fühlen.

Die Zielgruppe des Projekts sind Schülerinnen mit fachlichem Förderungsbedarf in den Fächern Mathematik, Physik und Chemie zunächst an Gymnasien ab der 8. Klassenstufe. Es wird schuljahresbegleitende Kurse und Ferienblockkurse geben. Ich möchte mit dem Konzept eine möglichst heterogene Gruppe ansprechen: das Angebot richtet sich sowohl an Schülerinnen mit guten bis mittelmäßigen Noten, als auch an Schülerinnen mit schlechteren Noten. Inhaltlich orientiert sich der Kurs eng an den Lehrplänen und den momentanen fachlichen Themen im Unterricht der Kursteilnehmerinnen. Der inhaltliche Umfang eines Kurses, d.h. die Schwierigkeit der Übungsaufgaben und des vermittelten Stoffs, wird innerhalb der Gruppe differenziert auf die Schülerinnen zugeschnitten. Das Angebot ist exklusiv für junge Frauen, um einen geschützten Rahmen zu schaffen. Ergebnisse verschiedener Studien legen nahe, dass Schülerinnen im Schnitt bessere Leistungen in MINT-Fächern erzielen, wenn sie in rein weiblichen Gruppen unterrichtet werden. [4] Neben der fachlichen Förderung wird es in den Kursen ein Präsentations- und Kommunikationstraining geben. Offene Diskussionen werden ermutigt und moderiert. Die Schülerinnen profitieren von der Gruppe, indem sie üben, Gelerntes mit den anderen Mitgliedern präzise und verständlich formuliert zu teilen. Aktuelle Übungsaufgaben werden kooperativ mit ständiger Unterstützung der Lehrkraft gelöst. Außerdem werden Geschlechterstereotype und deren Auswirkung spielerisch und interaktiv erarbeitet. Zwischen den Kursterminen wird eine Vernetzung und Kooperation gefördert, z.B. durch die Unterstützung digitaler Medien, wie Messenger oder Social Media Gruppen. Fragen können dort zeitnah gestellt werden und eventuell schon mit Hilfe von den anderen Gruppenmitgliedern beantwortet werden. Zusätzlich zu dem regulären Kursangebot werden freiwillige Veranstaltungen angeboten, in denen die Kursgruppen Frauen in spannenden Berufen an ihrem Arbeitsplatz besuchen oder ihre Fähigkeiten bei Experimentiernachmittagen erproben können. Dazu möchte ich eine Kooperation mit bestehenden Projekten im Bereich der MINT-Förderung aufbauen.

Naturwissenschaftlerin mit Vision und Unternehmer(innen)geist gesucht.

Überfliegerin sucht Zuwachs! Hat dieser Artikel dein Interesse geweckt und du bist eine idealistische Naturwissenschaftlerin mit Lehramts-, Master- oder Promotionsabschluss voller Tatendrang? Für dich ist eine selbstständige Tätigkeit absolut vorstellbar und spannend? Das Projekt ist in der Konzeptionsphase – es gibt also noch viel Gestaltungsspielraum. Schreib einfach eine Mail mit ein paar Infos zu deinem beruflichen Hintergrund und ich beantworte gerne alle deine Fragen zum aktuellen Stand der Konzeption, Finanzierung und Umsetzung. Die Gründung des Instituts ist in Frankfurt am Main geplant. Startzeitpunkt des Angebots ist Anfang des Schuljahrs 2018/2019.

Kontakt: nachricht [at] ueberfliegerin.de


[1] Anzahl der MINT-Studienanfänger* an deutschen Hochschulen nach Geschlecht in den Studienjahren von 2007/2008 bis 2016/2017;
[2] Deutscher Gewerkschaftsbund; Frauen in nichtakademischen MINT-Berufen-Analyse ihrer Stellung am Arbeitsmarkt und ihrer Arbeitsbedingungen; arbeitsmarktaktuell 04; 2015;
[3] LMG Blog: Bibi Blocksberg vs. Wickie;
[4] M. Steffens und I.D. Ebert; Frauen-Männer-Karrieren: Eine sozialpsychologische Perspektive auf Frauen in männlich geprägten Arbeitskontexten; Springer Fachmedien Wiesbaden; 2016;

Bibi Blocksberg vs. Wickie

Original title: Audio-visual Diversity? – Gender representation in movies and television in Germany

Authors: Prof. Dr. Elizabeth Prommer, Dr. Christine Linke

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Television and movies portrait a gender equal society, right?

I actually never actively thought about this but if anyone would have asked me that question a couple of months ago, I would have said: “Sure.”

The talk by Anke-Domscheidt Berg at the I, Scientist conference in May 2017 (I, Scientist 2017) got me wondering about the real situation in movies and television in Germany by shocking me with numbers like: Only 57% of german movies or movies produced with German cooperation pass the Bechdel-test, whereas 87% of them pass the reversed Bechdel-test. Meaning that only about every second movie has a plot that allows to answer the following four questions with ‘yes’:

– Are there at least two women?

– Do they have identifyable names?

– Do they speak to each other?

– About something else than men or relationships?

That is not only sad, it is a serious deficit that should be obvious and known to everyone. That this is not the case, shows even stronger how much we are influenced by media and used to the pictures we are presented with.

But the shocking numbers go much further than that. With Audio-visual Diversity? the University of Rostock conducted a study looking into the representation of gender in movies and television in Germany. The basis for their study was over 3000 hours of german TV program from 2016 and over 800 german-language movies from the past 6 years (Audiovisuelle_Diversitaet.pdf).

What they found was not only the sad number of movies that pass the Bechdel-test, but they also looked at the absolut number of female and male main characters appearing in german television and the roles of female and male characters in documentaries, series and kids TV-programs. Bad enough that the distribution of female (33%) and male (67%) main characters in television does not represent the real life distribution of the sexes of 50/50, the worst ratio of male to female main characters is found in kids television programs with 28% (female) to 72% (male)! Animal figures are in 87% of the cases male, humans 62%. What the hell?!!!

But not just the protagonists in kids television are mostly male, outside of fiction kids are presented with male experts and moderators from a very early age on. Only every third moderator is female. “Men explain the world”, that seems to be something that runs through the presentation of information throughout the age range. For adults that seems to get even worse leaving us with 79% male experts in TV – information.

As a young girl, where are my role models? As a kid in general, what is the picutre of the world that is presented to me? Experts, the people presented at the top, are male. Apperently even when it comes to fantasy where everything is possible and kids can imagine themselves as whatever they want, that world is dominated by male figures. What do I learn, uncounsiously, from as young as a few years old? Women stay in the shadows. They are not important enough to be displayed for a wide audience, asked for their opinion or independent enough to experience adventures over a wide range of settings (not just pony farm). What does that potentially leave me with as a girl: Being insecure about myself, about what I can do and where I can go. Having uncounsiously accepted men to be the ones to get to the top, to be better than me.

What does that teach me as a boy? It does not reflect the reality of the 50/50 ratio of women and men. Which means it shows me that both sexes do not seem to be considered equally important. It does not bring women into the picutre as knowledgeable, strong, independent and adventurous persons.

And we are asking ourselves where the insecurities of girls and women about what they can do come from….

If we start with programs for girls, to strenghen their selfesteem, help them aim for great things, in Highschool or University, we are fighting windmills. We have to start at the roots and the roots are we, all people alive at the moment, because we are those who shape the world with our perceptions for the next generation. If we don’t start to realize how we are shaped and influenced by the people and things surrounding us, we cannot reach a world or even only a Germany with real equality.

Visit

Audiovisuelle_Diversitaet.pdf

for the details and results of the Rostock University study (German).